ADHS bei Frauen: Was ist anders?
Veröffentlicht: Freitag, 12.12.2025 12:13

Anzeichen und Diagnose
Bad Saulgau (dpa/tmn) - Immer mehr Erwachsene bekommen eine Erstdiagnose für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), so eine aktuelle Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Die Diagnose kann - insbesondere für Frauen - eine enorme Erleichterung sein. Darauf weist Petra Beschoner, ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau, hin.
Die Diagnose sei oft ein erster Schritt zu mehr Selbstverständnis, Stabilität und Lebensqualität. Bis dahin würden Frauen mit ADHS oft über Jahre oder Jahrzehnte mit einer inneren Belastung leben und Erklärungen für die Symptome der neurobiologischen Störung bei sich selbst suchen.
Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, zählt zu den «typischen Warnzeichen» einer ADHS bei Frauen zum Beispiel:
- Konzentrationsschwierigkeiten
- innere Unruhe
- chaotische Tagesstrukturen
- Impulsivität
- emotionale Instabilität
- ein ausgeprägtes Gefühl des Andersseins
- ein Gefühl ständiger Getriebenheit
Hinweise können aber auch wiederkehrende Konflikte in Partnerschaft oder am Arbeitsplatz, Stimmungsschwankungen oder selbstschädigendes Verhalten sein. Frauen mit ADHS würden häufig glauben, ständig zu versagen oder nicht zu genügen – obwohl sie viel leisten. Häufig fällt es ihnen auch schwer, Prioritäten zu setzen, Aufgaben zu strukturieren oder zu Ende zu bringen.
Petra Beschoner zufolge sei besonders die «Diskrepanz zwischen Schein und Sein» belastend, was zu Erschöpfung, Selbstzweifeln oder Burn-out führen kann.
Ein langer Weg zur Diagnose
Weil sich ADHS bei Frauen oft abweichend von Verhaltensweisen zeigt, die üblicherweise mit der Störung in Verbindung gebracht werden und sie sich oft stark anpassen, kann es bis zur Diagnose oft lange dauern. Bei weiblichen Betroffenen ist Experten zufolge etwa bekannt, dass sie im Kindesalter weniger auffallen.
Im Erwachsenenalter würden Frauen mit ADHS eher zur stillen Überforderung neigen und durch Kontrolle, Perfektionismus oder überhöhte Anpassung kompensieren, erklärt Beschoner. «Bis sie die Diagnose erhalten, haben sie oft einen langen Leidensweg hinter sich, geprägt von Fehldiagnosen wie Depression oder Angststörung», so die Fachärztin.
Diagnostik im Erwachsenenalter
Wo Belastungen im Alltag über längere Zeit das Leben beeinträchtigen, ist eine fachärztliche Abklärung deshalb dringend ratsam. Eine Diagnose erfordert eine ausführliche Anamnese und Beurteilung anhand von Leitlinien durch Fachleute - etwa Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Ärztliche Psychotherapeuten oder Psychologische Psychotherapeuten.
Dem «Infoportal ADHS» zufolge werden für die Diagnose in der sogenannten Exploration zum Beispiel aktuelle Probleme, Belastungen und einzelne Symptome genau erfragt und die Lebensgeschichte sowie die Entwicklung der Probleme bis zur Gegenwart erhoben.
Unter Umständen werden auch Partner, Eltern oder andere Bekannte, die die Person lange kennen, einbezogen, um zu berichten, wann ihnen etwas am Verhalten der Person aufgefallen ist. Daneben kommen Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen oder körperliche Untersuchungen zum Einsatz. Die Abklärung einer ADHS dauert üblicherweise mehrere Sitzungen.
Therapie aus mehreren Bausteinen
Nicht jeder Mensch mit ADHS-Diagnose braucht zwingend eine Therapie. Wo der Leidensdruck groß ist, kann Petra Beschoner zufolge aber eine individuell abgestimmte Kombination aus Psychoedukation, kognitiver Verhaltenstherapie und unter Umständen medikamentöser Unterstützung erfolgreich sein. Medikamente würden vielen Patientinnen dabei helfen, ihre Konzentration und Impulskontrolle zu verbessern.
«Genauso wichtig ist aber, dass Frauen lernen, mit sich selbst mitfühlender umzugehen», betont die Fachärztin. Etwa durch bewusste Pausen oder das Erkennen eigener Grenzen. Auch digitalen Tools, Selbsthilfegruppen oder Coaching-Angebote können unterstützen. Organisationen wie «ADHS Deutschland» bieten etwa Gruppen für Erwachsene in vielen Städten an.


